Die neu gegründete „Initiative zum Wiederaufbau der Obstbauversuchsanstalt“ stellte am Montag in Frankfurt (Oder) ein Kurzkonzept mit Anregungen und Ideen zum Erhalt der traditionsreichen Forschungsanstalt für den Obstbau vor. Seit über zwei Jahren verschleppt die Brandenburger Landesregierung eine arbeitsfähige Ausstattung der Station in Müncheberg.
Die Initiative spricht sich für eine unabhängig arbeitende Obstbauversuchsanstalt auf dem Gelände des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg aus, solide finanziert vom Brandenburger Landwirtschaftsministerium. Zudem brauche es eine bessere Zusammenarbeit in den Brandenburger Landesministerien, da der Erhalt der Biodiversität besonders vor dem Hintergrund des Klimawandels landeshoheitliche Aufgabe ist. Eigene Finanzmittel soll die Obstbauversuchsanstalt – wie bisher auch längst üblich – durch Anbieten von Seminaren erwirtschaften. Es soll auch weiterhin für Baumschulen und Hobbygärtner die Möglichkeit bestehen, Veredelungsreiser alter, regionaler Obstsorten zu erwerben. Das Kurzkonzept soll nun am Mittwoch zur Sitzung des Landwirtschaftsausschusses im Potsdamer Landesparlament an Minister Jörg Vogelsänger und die Ausschussmitglieder übergeben werden.
„Trotz klarer Aussage zum Erhalt der agrarischen Forschung im Koalitionsvertrag und eines einstimmigen Beschlusses des Landtages ist heute nicht einmal mehr ein Rumpf der Obstbauversuchsanstalt vorhanden. Forschung findet seit 2013 nicht mehr statt, weil es an Wissenschaftlern fehlt“, kritisiert Kerstin Hellmich aus Tempelberg (Landfrauen Oder-Spree und Dörfergemeinschaft Steinhöfel). Die Verträge vieler Mitarbeiter sind ausgelaufen und der ehemalige Leiter Dr. Hilmar Schwärzel wurde mittlerweile auch in das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) „eingeordnet“ – wie im Landtagsausschuss bekannt wurde. Ein immer wieder von Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger angekündigtes Konzept zum Fortbestand lässt weiter auf sich warten. Noch im Januar 2016 wurde angekündigt, im ersten Halbjahr einen Entwurf vorzulegen. Das ist nicht passiert. Mittlerweile vertagte Vogelsänger das Konzept auf „nach der Sommerpause“ wie eine aktuelle Anfrage im Brandenburger Landtag ergab.
„Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Landesregierung an einem Erhalt der Obstgenetischen Ressourcen gar nicht interessiert ist“, sagte Sabine Niels, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen & Piraten im Kreistag Oder-Spree. Zusammen mit Dr. Schwärzel wurde beispielsweise die älteste Obstbaumallee Brandenburg in Tempelberg (Oder-Spree) wiederentdeckt und wird jetzt in touristische Wanderwege integriert.
„In Zeiten, in denen Konzerne wie Monsanto Saatgut in aller Welt aufkaufen, gehören die obstgenetischen Ressourcen in Müncheberg unstrittig zum nationalen kulturellen Erbe in Deutschland, das es zu erhalten gilt“, sagt Kerstin Hellmich aus Tempelberg. „Die Gesetzgebung der EU ist überwiegend auf das von der Saatgutindustrie angebotene Hybridsaatgut ausgerichtet. Solche Samen liefern nur standardisierte Pflanzen“, erklärt Klima-Expertin Eva Rönspieß. Die Vegetationsperiode hat sich in Brandenburg verlängert, sie beginnt im Durchschnitt 20 Tage früher und endet fünf Tage später. Forschung und Weitergabe von Wissen insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels werden umso wichtiger.
„Man findet im Oderbruch beispielsweise noch alte Obstbaumgärten- und Plantagen. Leider bemerkt man schon jetzt, dass es einen Mangel an Fachwissen und vor allem an Nachwuchskräften gibt. Daher ist eine funktionsfähige und eigenständige Forschungseinrichtung in Brandenburg unabdingbar“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Vereins für Kulturgüter in Brandenburg Hildegard Vera Kaethner aus Kagel.
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