Meinung: Wie ich als Mitglied der Grünen die Ansiedlung der Tesla Fabrik sehe

Foto: Roberto Nickson, https://www.pexels.com/de-de/@rpnickson

Text: Ralf Schmilewski

Vorwort

Als ich von den Plänen erfahren habe, dass Tesla ein Werk in Grünheide errichten will, hab ich mich gefreut. Dem ersten Bauchgefühl folgten aber auch bald Zweifel. Seitdem habe ich mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und möchte hier meine Gedanken erläutern.

Ob wir etwas gut oder schlecht finden, hängt sehr stark von unseren eigenen Werten ab. Für mich sind Freiheit und Gerechtigkeit immer schon die wichtigsten Werte gewesen.

Freiheit und Grenzen

Freiheit braucht Grenzen, damit sie funktioniert. Die Grenzen der Freiheit sind im „Mill-Limit“ beschrieben. (Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit#Bestimmung_von_Grenzen_der_Freiheit) Freiheit findet ihre Grenze, wenn die Ausübung der eigenen Freiheit die Freiheit der Anderen einschränkt. Genauer erklärt Mill die Einschränkung mit drei Merkmalen:

  • die Freiheitseinschränkung Anderer darf nicht nur lästig sein, sondern muss eine echte Schädigung hervorrufen,
  • sie muss mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eintreten,
  • und es darf keine überwiegenden rechtfertigenden Gründe für die Freiheitsausübung geben.

Klimakrise und Freiheit

Aktuell sehe ich die mit Abstand größte Bedrohung von Freiheit auf der Welt in der Klimakrise, die für mich ein wesentlicher Anlass war, politisch aktiv zu werden. Da sich Tesla die Reduzierung des CO2-Ausstosses und damit die Bekämpfung der Klimakrise in seine Unternehmensvision geschrieben hat, ist es, denke ich, wichtig zu erklären, welchen Zusammenhang ich zwischen Tesla, Klimakrise und Freiheit sehe:

Stark gekürzt: Einige Menschen nehmen sich die Freiheit, ihren Lebensstandard durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu verbessern, in dem sie beispielsweise Autos mit Verbrennungsmotor fahren, fliegen, mit Öl oder Gas heizen usw. Unternehmen nehmen sich die Freiheit, mit den entsprechenden Produkten (Autos, Flüge, Kohlestrom usw.) Geld zu verdienen.

Damit verantworten diese Menschen und Unternehmen langfristig mehr Unwetter (Hitzewellen, Dürren, Überflutungen etc.), schlechtere landwirtschaftlichen Anbaubedingungen, reduzierte Artenvielfalt, krankmachende Abgase usw. und verschlechtern so die Lebensbedingungen, Entfaltungsmöglichkeiten und somit die Freiheiten aller Menschen.

Nach Mill sind alle Bedingungen gegeben, diese Freiheit zur Verbrennung fossiler Rohstoffe der Menschen und Unternehmen einzuschränken: Es findet eine echte Schädigung statt, die Wahrscheinlichkeit der Schädigung ist 100% und es gibt inzwischen Alternativen in regenerativer Energieerzeugung, Elektromobilität (Bahn, E-Autos etc.), d.h. im Wesentlichen keine rechtfertigenden Gründe mehr diesen Lebensstil fortzuführen.

Tesla und Freiheit

Im Rahmen des Baus der Tesla-Fabrik findet eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) statt. Dass es dieses Verfahren gibt, ist auch ein Erfolg des jahrzehntelangen politischen Einsatzes von Umweltverbänden und den Grünen. Das Verfahren sorgt dafür, dass eine Abwägung der Freiheitsrechte erfolgt. Wann immer Einschränkungen der Freiheit Anderer möglich sind, müssen Alternativen geprüft und Maßnahmen ergriffen werden, negative Folgen zu mindern und unwahrscheinlich zu machen. Bestehende Gesetze und Normen zum Schutz von Natur und Umwelt sind einzuhalten. Diese Gesetze gelten für alle Unternehmen gleich. Deshalb ist es unverständlich, wenn die Kritiker*innen des Fabrikbaus andere und härtere Regeln für Tesla fordern. Freiheit für alle kann nur auf der Basis von gleichen Rechten für alle funktionieren. Wenn Regeln und Gesetze an der ein oder anderen Stelle nicht für eine vernünftige Abwägung der Freiheitsrechte sorgen, sollten sie angepasst werden – dann aber wieder für alle gleich gelten. Im konkreten Fall sehe ich keinen Änderungsbedarf und kenne auch keine entsprechenden Forderungen von Seiten der Kritiker*innen.

Im Rahmen des Protestes gegen die Fabrik wird oft die Umweltverträglichkeitsprüfung und das gesamte Genehmigungsverfahren verunglimpft und so das Risiko in Kauf genommen, einen Baustein von Demokratie und Rechtsstaat zu beschädigen, der unsere Freiheitsrechte sichert. Gefordert wird ein stärkerer Staat, der sich nicht darauf beschränkt, die Rahmenbedingungen in Form einer UVP für eine Ansiedlung zu setzen, sondern der selbst entscheidet, wo sich eine Industrie ansiedeln wird (im konkreten Fall in der Lausitz).
Als freiheitsliebender Mensch ist es mir wichtig, das Verfahren zu stärken, das die Freiheitsrechte und deren Abwägung sichert. Einen willkürlichen Staat lehne ich ab.

Zurück zur Klimakrise

Die Klimakrise kann nur bewältigt werden, wenn wir unseren Lebensstil, der auf Verbrennung fossiler Rohstoffe basiert, komplett aufgeben. Grundsätzlich sind zwei miteinander kombinierbare Wege denkbar: Verzicht oder Umstellung auf andere, CO2-freie Technologien.

Die Freiheit (nach Mill) sollte dabei aus meiner Sicht eine steuernde Rolle übernehmen: Alle Lebensstile, bei denen eine Umstellung im Rahmen der Energiewende möglich ist (z.B. Autofahren), können umgestellt werden. Auf andere Lebensstile (z.B. Fliegen) werden wir bis zur Entwicklung CO2-freier Technologien verzichten bzw. sie erheblich einschränken müssen. Natürlich steht es allen Menschen frei, auch noch stärker zu verzichten. Daraus allerdings eine Forderung an alle zu machen und die Umstellung auf CO2-freie Technologien zu verhindern, ist aus Sicht der Freiheit nicht zu begründen.

Da die Energiewende der Schlüssel zur Bewältigung der Klimakrise bei gleichzeitiger Erhaltung des Lebensstandards ist, spielt die Tesla-Ansiedlung eine sehr wichtige Rolle in diesem Zusammenhang. Die Energiewende fordert sehr hohe Investitionen. Diese Investitionen sollten zum großen Teil durch Privatleute getätigt werden, in dem sie sich z.B.energiesparende Geräte kaufen, ihre Häuser und Wohnungen energetisch sanieren, sich Photovoltaikanlagen und Stromspeicher installieren, Elektroautos kaufen usw.

Das wird aber nicht gehen, ohne dass diese Technologien von Unternehmen entwickelt, Produktionskapazitäten geschaffen und die Technologien so in großem Umfang für alle Menschen verfügbar und bezahlbar werden. In den Kernbereichen der Energiewende Verkehr und Energie ist Tesla ein innovativer Technologieführer und gleichzeitig ein sehr großer Investor. Wenn dieser Investor bei uns die richtigen Bedingungen sieht, um zu investieren und damit die Energiewende voranzubringen, macht mich das glücklich.

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